Bericht über einen deutschen Angriff auf Majoreni, 22.9.1914


Der Bericht schildert einen Angriff auf den keniansichen Ort Majoreni, etwa 14 Kilometer von der Nordgrenze der Kolonie und 4 Kilometer von der Küste des Indischen Ozeans entfernt. Den Deutschen gelang es nicht den stark befestigten Ort einzunehmen. Das Gefecht kann aber als Auftakt für die Kämpfe um die Kontrolle dieses für beide Seiten strategisch wichtigen Gebietes gesehen werden. Im Januar 1915 drangen deutsche Truppen erneut in das Gebiet vor und lieferten sich wochenlange Kämpfe um den Ort Jassini. Der Küstenstreifen war für die Briten ein wichtiges Aufmarschgebiet für eine Offensive gegen die Deutschen. Für die Deutschen war es der Weg nach Mombasa, dem wichtigsten Hafen der Kolonie und Ausgangspunkt der Uganda-Bahn.
Die Deutschen waren jedoch nicht auf die Besetzung britischen Territoriums aus. So gesehen, folgte der Angriff der Deutschen dem schon aus früheren Berichten bekannten Muster: Aufklärung-Angriff-Rückzug.
Der Bericht ist auch wegen der Erwähnung des „Araberkorps“ interessant. Diese Einheit bestand im wesentlichen aus Freiwilligen, die aus den Familien der Swahili-Eliten rekrutiert wurden. Im kolonialen Jargon firmierten diese Eliten unter dem Begriff „Araber“. Sie waren meist Plantagenbesitzer oder Händler, die sich zu Beginn der deutschen Herrschaft mit den Deutschen arrangiert hatten und seitdem als ein wichtiger Grundpfeiler der deutschen Kolonialpolitik galten. Für die Deutschen war die Kooperation dieser Eliten im Krieg von großer politischer Bedeutung. Sie stellten einen großen Teil der Kolonialverwaltung. In den küstennahen Gebieten der Kolonien fungierten sie zudem als lokale Vertreter der Kolonialmacht. Die Aufstellung des „Araberkorps“ folgte so eher einem politischen Kalkül. Sie sollten diese Eliten enger an die Sache der Deutschen binden. Miliärisch war das „Araberkorps“ eher eine Enttäuschung. Der Bericht spricht von einem Versagen der „Araber“. Einige Wochen nach dem Gefecht übernahm der im Bericht erwähnte Wilhelm Methner das Komando über das „Araberkorps“. Methner war vor dem Krieg der stellvertretende Gouverneur der Kolonie und galt als einer der erfahrensten Kolonialbeamten. Dass er bereits im September als Offizier in der Truppe diente, mag zudem ein wichtiges Indiz dafür sein, wie sehr das Pendel auch unter den Zivilbeamten in Richtung Krieg ausgeschlagen war.
Die Klagen der deutschen Offiziere über das „Araberkorps“ waren Legende. Es wurde Anfang 1915 aufgelöst.
Interessant sind auch die Hinweise auf die Gräber der Briten und ihrer afrikanischen Soldaten. Selbst über den Tod hinaus wurde im September 1914 die koloniale Ordnung noch aufrechterhalten. Das sollte sich allerdings 1916 ändern. So wirft die Art und Weise wie mit den Toten des Krieges umgegangen wurde, einen sehr aufschlussreichen Blick über den Wandel der kolonialen Ordnung während des Krieges. (Mehr dazu hier)



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Bericht über das am 22.9. 1914 stattgehabte Gefecht bei Majoreni (Britisch-Ostafrika).
Führer: Hauptm. v. Boemcken.
Gegner: etwa 30 Engländer, 175 Askari und Inder mit 2 Maschinengewehren und 2 Kanonen.

Nach einer Eingeborenen Meldung vom 10.9. sollten in Majoreni etwa 30 Engländer, 175 Inder und Askari mit 2 Maschinengewehren und 2 Kanonen in 2 Lagern stehen. Spätere Eingeborenen-Patrouillen sagten aus, dass der Mweni-Fluss mit englischen Eingeborenen-Posten und an den Uebergängen mit Europäern dicht besetzt sei, die jedes Vorgehen von Patrouillen verhinderten. Infolgedessen befahl der Detachementsführer, Hauptmann Baumstark, am 21.9. Aufklärung durch 3 Abteilungen über den Mwena-Fluss gegen Majoreni. Es sollten Vorgehen:
1. Abteilung: 1 Zug 17. Kompagnie (Leutnant d. R. Kempner, Oberarzt d. R Wolf, 40 Askari) mit Arabertrupp Tanga (Oberleutnant Osmann, 40 Araber) und Posten Jassini (Polizeiwachtmeister Galle, 9 Askari) unter mir auf dem Wege über Jassini-Mbuzi.
2. Abteilung: 15. Kompagnie (Oberleutnant d. L. Methner, 4 Europäer, 136 Askari mit 2 Maschinengewehren) mit Arabertrupp (Oberleutnant Weise, 15 Araber, 15 Askari) über Miongoni-Mbuzi und Malewa-Mbuzi.

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3. Abteilung: v. Lekow (3 Europäer, 26 Askari, 14 Ruga-Ruga) über Bwaga-Macho nördlich des Mwenaflusses. Meine Abteilung
marschierte am 21.9.14 2.00 nachm, vom Lager Kirau über Mtotolovu-Jassini-Jego bis Mabuguni, lagerte dort von 9 Uhr abends bis 2.00 vorm, und setzte dann den Vormarsch längs der Küste
Östlich au Mbuzi vorbei fort. Durch eine Patrouille über Mbuzi wurde Verbindung mit der Abteilung Methner aufgenommen. Um 6.45 vorm. erreichte ich den Mwena. Infolge der Flut hatte der Fluss eine Breite von 25 m mit einer übermannstiefen 8 m breiten Wasserrinne. Auf überhängenden Bäumen mit Hilfe von Stricken wurde der Uebergang bewerkstelligt.
Jenseits des Flusses stiess um 8.30 vorm, die Abteilung Weise zu mir.
Um 8.20 vorm. ging ich auf dem Wege Gonja-Majoreni weiter vor und überschritt nach ½ km ein 200 m breites knietiefes Kreeck.
Dicht dahinter auf dem flachen Hange stiess die Vorspitze auf eine feindliche Feldwache, in Stärke von 2 Europäern und etwa 15 Askari. Nach kurzem Feuergefecht mit der Spitze unter Leutnant Kempner flohen die Europäer zu Rad, die Askari verschwanden im Busch. Eine Mine mit Selbstschuss konnten sie bei der eiligen Flucht nicht mehr zur Entzündung einstellen.
1 km weiter führte der Weg aus dem Waldgelände in eine 1200 m weite, mit 2 m hohem Gras und vereinzelten Bäumen bestandene Fläche, die etwa 6 —800 m rechts der Strasse von Wald
umsäumt war. Ich ging vorsichtig mit Patrouillen rechts und links in die Fläche vor. Eine zweite Mine mit Selbstschuss wurde passiert, deren Entzündung von Leutnant Kempner durch Ableiten
des Schusses verhindert wurde. Feindliche Späher wurden von den Arabern in den Bäumen bemerkt und beschossen. Ein Lehmhaus mit Wellblechdach wurde auf 500 m vor der Spitze rechts
der Strasse sichtbar.
Von diesem her und aus dem Waldstreifen rechts fielen auf die Patrouillen vereinzelte Schüsse.
Gleich darauf um 9.00 vorm, bekam die Spitze, die auf die Patrouillenmeldung wartend, neben dem Wege lag, heftiges Gewehr- und Maschinengewehrfeuer von 2 Maschinengewehren von vorn und von halbrechts. Ich nahm den Askari-Zug rechts der Strasse vor, die Araberabteilungen blieben rückwärts an der Strasse. Zum Vorgehen waren sie nicht zu bewegen. Vom Feinde war in dem hohen Grase nichts zu erkennen. Nur ein Teil der Spitze unter Poilzeiwachtmeister Galle konnte
ein Maschinengewehr sehen und beschiessen. Die Engländer verloren hierbei 1 Europäer, die Spitze 1 Askari. Da ein Vorgehen gegen den weil überlegenen Gegner in dem unübersichtlichen Gelände für den Zug alleine nicht möglich war,

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zog ich den Zug, dem die Spitze als Nachspitze langsam folgte, bis zum Waldrand zurück, um dort die Kompagnie Methner abzuwarten. Hier traf um 9.15 vorm. Vizefeldwebel Hersing der Kompagnie Methner ein, der den Anmarsch der Kompagnie meldete.
Ich schickte sofort Vizefeldwebel Hersing mit einer Patrouille rechts der Strasse vor. um die feindliche Stellung zu erkunden.
Um 10.00 vorm. traf die Kompagnie Methner und Abteilung Lekow am Waldrand ein.
Ich gab Oberleutnant Methner den Befehl, mit der Kompagnie rechts der Strasse vorzugehen mit dem rechten Flügel am Mwena, um die feindliche Stellung im Waldstreifen rechts zu umfassen.
Zug Kempner, Abteilung Lekow und Weise folgten links der Strasse zu meiner Verfügung. Die Araber sollten zur Sicherung im Rücken und Flanke am Waldrand Zurückbleiben. Ein Verbandplatz wurde im Wald vorbereitet.
Um 11.00 vorm, setzte ich Zug Kempner links der Strasse an mit dem Auftrag, den feindlichen rechten Flügel anzugreifen. Weiter links von ihm sollten Abteilung Weise und Lekow den feindlichen rechten Flügel umfassen.
Gegen 1.00 nachm. bekam ich von Oberleutnant Methner die Meldung, dass der rechte Flügel auf 200 m vor dem Feinde in heftigen feindlichen Feuer läge und nicht vor könnte. Ich befahl darauf dem Zug Schäfer von der Kompapnie Methner, der an der Strasse lag, links der Strasse anzugreifen und zum Sturm vorzugehen. Das Gelände vor der feindlichen Stellung war teils
mit hohem Gras bestanden, teils kahl gerodet. Stacheldraht waren 100 m vor der Stellung in ungeschickter Weise zwischen Bäumen gespannt. 4 Minen am Wege und im Maschinengewehrstand
wurden durch Zerschneiden der Drähte unschädlich gemacht, andere wurden umgangen.
Um 2 nachm. war die 1. feindliche Stellung genommen. Der Gegner hatte sich, gedeckt durch Busch und hohes Gras, in eine 2. vorbereitete Stellung zurückgezogen.
Hinter der 1. Stellung lag ein kleines Europäerlager, ein frisches Europäergrab dabei. In der genommenen Stellung sammelte ich die Abteilung, Zug Wolf sicherte in der Front, Zug Weidner klärte in der rechten, Abteilung Lekow in der linken Flanke auf. Von Leutnant v. Lekow erhielt ich sogleich Meldung dass halblinks vorn eine zweite feindliche Stellung und ein Zollager einzusehen sei. In einer weiten mit hohem Gras bestandenen Fläche war auf 500 m ein etwa 300 m langer Schützengraben zu sehen, 250 m dahinter ein Zeltlager mit 4 0 —50 grossen Europäerzelten. 400 m
rechts davon, in Bäumen versteckt, konnte das Wellblechdach die Boma vom Dach einer Hütte aus erkannt werden.

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3.00 nachm. Ich schickte sofort Zug Kempner, dann I Maschinengewehr halblinks vor, das 2. Maschinengewehr und 1 Zug der Kompagnie Methner rechts davon. Zwei Züge der Kompagnie erhielten Befehl mit dem rechten Flügel am Kreek gegen die Borna vorzugehen. Nach 15 Minuten lebhaften Feuergefechts zog sich der Gegner aus dem Schützengraben sprungweise in eine 3.
Stellung vor der Boma zurück. Den feindlichen reihten Flügel umfassend ging Oberleutnant Osmann mit einer kleinen Abteilung (5 zuletzt nur 1 Araber) gegen das Zeltlager vor, gefolgt von Leutnant v. Lekow mit 4 Askari. Von Oberleutnant Osmann wurde die englischen Flagge vom Zeltlager geholt. Beide Abteilungen erhielten heftiges Gewehr- und Maschinengewehr Feuer von der Boma her. Oberleutnant Osmann und Leutnant v. Lekow wurden verwundet, ferner 1 Askari getötet, 2 Askari, 1 Araber verwundet. Osmann und Lekow zogen sich zurück. Die Verwundeten liess ich durch den Zug Schäfer aus dem Zeltlager holen. Auf dem rechten Flügel waren die Züge Wolf und Weidner auf 250 m an die Borna herangekommen und erhielten dort heftiges Feuer. Während des Feuergefechts gingen 5 Minen vor der Boma los, darunter eine grosse Schwarzpulvermine. Gegen 4 Uhr nachm. bekam ich von Oberleutnant Methner die Meldung, dass die Kompagnie zu erschöpft sei, um den Sturm auf die Boma auszuführen. Gleichen Eindruck hatte ich von den anderen Abteilungen, die seit 2.00 früh marschiert waren oder gefochten hatten, ohne Wasser und Verpflegung zu bekommen. 2 Europäer waren durch die stechende Hitze und Laufen im hohen Gras im Gefecht umgefallen. Da die feindliche Stellung an der Boma nicht einzusehen war, grössere Verluste durch Minen zu erwarten standen, eine Feuerüberlegenheit gegen den stark gedeckten Gegner mit dem 71 er nicht erreicht werden konnte und ich auch mit Verstärkung des Gegners auf der Wasser- und Landseite rechnen musste, wodurch ich in Flanken und im Rücken bedroht war, gab ich den Gedanken an einen Sturm auf
Ich brach daher um 5.30 abends das Gefecht ab und marschierte mit den Verwundeten bis hinter den Mwena zurück. Am 23. wurde der Rückmarsch zum Lager angetreten.
Das Verhalten der Truppe war gut. Bei den Europäern konnte ich durchweg entschlossenes Vorgehen und Ruhe im feindlichen Feuer feststellen. Ebenso folgten die Askari sehr brav ihren Führern. Die Araber dagegen versagten gänzlich. Beim ersten Gefecht liefen 3 zurück und gleich durch bis zum Lager Kirau. Ihre Entlassung wegen Feigheit wurde von den Araberführern selbst erbeten. Beim 2. Gefecht folgte ein Teil der Araber ohne Befehl der Schützenlinie, feuerte hinter dieser und brachte Verwirrung hinein.

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Das Verhalten des Gegners war tapfer, sein Schiessen in Anbetracht der überhöhenden und vorbereiteten Stellung aber schlecht. Er schoss durchweg zu hoch. Ausser den Askarischüssen, die sich auch durch Rauchwolken bemerkbar machten, waren auch eine Menge Europäerschüsse (Manlicher 6,5) zu hören. Auch aus den Vorderladekanonen, Schiffs-Broncegeschützen,
sollen 3 Schuss abgegeben worden sein.
Der Verlust des Gegners war nach mehreren Aussagen von Eingeborenen von Majoreni 6—8 Europäer tot, 1 Inder verwundet, sehr viele Askari tot. Frische Europäergräber sind gefunden 1 in
in der 1. Stellung und 1 nahe dem Zeltlager, ausserdem 3 auf dem Wege nach Gaze. Die Zahl der Askarigräber lässt sich nicht feststellen Sie sind in einem grossen Massengrab von 10 m Länge bei Majoreni beerdigt.
Die Stärke des Gegners war nach Eitigeborenen-Aussagen etwa 30 Europäer 200 Farbige. Ein Schätzen des Gegners war während des Gefechts infolge des unübersichtlichen Geländes
nicht möglich.
Unsere Gesamtstärke war 14 Europäer einschl. 3 Sanitätspersonal, 226 Askari, 14 Ruga-Ruga und 55 Araber.
gez. v. Boemcken
Hauptmann


(Quelle: Deutsch-Ostafrika. Kaiserliches Gouvernement. n.d. [1914]. Zusammenstellung der Berichte über die in den August, September, Oktober 1914 stattgefundenen Gefechte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Morogoro: Regierungsdruckerei)



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